Vom Poldi zum Edi, einige persönliche Betrachtungen zur Reindorfer Gastronomiegeschichte …
Von Christoph Wagner
Es ist schon gut ein Vierteljahrhundert her, dass ich den „Quell“ im Dauervisier habe. Er war für mich Wasserloch und Futterkrippe, später dann auch Kinderkrippe und zuletzt, was er bis heute geblieben ist: mein verlängertes Wohnzimmer, in das ich nur ein paar Schritte an der guten Reindorfer Luft gehen muss.
Der Quell ist jedoch viel älter als nur ein Vierteljahrhundert. Schon seit 1896 ist die „Gastwirtschaft Zum Guten Hirten“ der wichtigste Stützpunkt der Nahversorgung des Biotops Reindorf im Bezirksverband von Rudolfsheim-Fünfhaus.
Der erste „Kirchenwirt“ (die Wallfahrtskirche daneben birgt eines der berühmtesten Wiener Maulbertsch-Gemälde) war ein gewisser Albert Kessler, von dem Leopold Quell sen. das Ecklokal in den 30er Jahren übernahm. Seither hat sich am Ambiente des Gasthauses kaum etwas verändert, was es auch zu einem der Lieblingsplätze von Wiener Nostalgikern und Wirtshausarchäologen gemacht hat.
Nachdem Leopold Quell jun., heute noch als „der Poldi“ bekannt, die Gastwirtschaft von seinem Vater 1965 übernommen hatte, wurde das Wirtshaus allmählich, was man ein „Kultbeisel“ nennt. Ein Ehrentitel, den es nicht nur Poldis unverwechselbar-eigenbrötlerischem Charme und der guten Hausmannskost (der verlässliche Falter-Führer ortete hier „Wiens bestes Gulasch“) verdankt, sondern auch dem trauten Nebeneinander unterschiedlichster Gästeschichten vom „Hackler“ bis zum Primarius, vom „angestreberten“ Abendschüler bis zur „durchgeistigten“ Nightfly und vom stillen, unbekannten Zecher bis zum altbekannten Promi.
Vor allem als Stammlokal des Prof. Kurt Ostbahn und seines leider viel zu früh verstorbenen „Trainers“ und Texters Günter Brödl machte der „Quell“ Furore und brachte es auch zum Filmschauplatz („Blutrausch“) sowie zum Konzertsaal (zuletzt entstand hier Ostbahn-Kurtis jüngste Live-CD mit dem vielsagenden Titel „Ein Abend im Gasthaus Quell“). Auch Bildende Künstler und Theaterleute fühlen sich hier besonders wohl und nicht zuletzt auch Spitzenköche: „Koch des Jahrzehnts“ Jörg Wörther lobte das Reisfleisch („wie bei der Mama“), und Ewald Plachuttas Megaseller „Die gute Küche“ wurde hier in zahllosen Besprechungen aus der Taufe gehoben.
Am 1.Oktober 2004 endete dann die Ära Poldi, doch keineswegs die Ära des Gasthauses Quell. Seinen Nachfolger hat sich Leopold Quell, bevor er in die wohlverdiente Pension ging, höchstpersönlich ausgesucht („dös kann net irgendwer werd´n!“). Seine Wahl fiel auf Eduard Peregi, Sohn einer anderen Fünfhauser Legende, nämlich jener des „Fischhändlers vom Schwendermarkt.“
Eduard Peregi, als gelernter Kellner im „Sacher“ mehr als nur vom Fach, und als zwischenzeiticher Gemüsehändler und Fischhändler mit allen Wassern der Branche gewaschen, übernahm mit dem „Quell“ auch die bewährte Küchenfrauschaft und zerstreute vom ersten Tag an jeglichen Stammgastverdacht, der „Quell“ könne nun womöglich nicht mehr „der Quell“ sein.
Neuerdings gibt´s freilich auch eine famose Fischbeuschlsuppe und ein Wallergulasch vom Vater Peregi auf der Karte. Und über den Edi sagen die Leute: „Kaum zu glauben, der ist schon so mit dem Lokal verwachsen, dass man fast meinen könnt´, der Poldi sei noch da. Nur halt jünger.“